Samstag, 29. November 2014

Streßfrei reisen? Erneutes Stranden? - Wie man dem Zen näherkommt.

Die lange Anreise zur Antarktissaison wird von Jahr zu Jahr unliebsamer. Hamburg - Frankfurt - Buenos Aires - Ushuaia. Kann man nett gestalten. Mit kurzer Umsteigesteig in Frankfurt und Übernachtung in Buenos Aires. Ist ja schließlich kein Provinznest, mit gut 13 Millionen Einwohnern. Im Schnitt sind es etwas über 14000 pro Quadratkilometer. Sieht man Berlin zum Vergleich - da sind es gut 3,4 Millionen Einwohner bzw. etwas über 3800 Einwohner pro Quadratkilometer - erscheint unser Regierungssitz eher kleinstädtisch.
Ja, den Ausruhtag und die Übernachtung in Buenos Aires gab es einfach nicht. Ob man acht Stunden Warten auf den Anschlußflug als Ausruhen wertet, dazu bräuchte es schon eine gehörige Portion Zen-Gelassenheit.

Zen-Übungen im Aeroparque

Wir haben es nur so weit gebracht, der Reederei zu bescheinigen - nach 10 Tagen Reiseverzögerung und diesem gebuchten Reiseverlauf - daß die Verwaltung uns auf gar keinen Fall in Reisestreß versetzen wollte. Besondere Größe zeigten hier meine Kollegen aus Frankreich, die schon in den frühen Morgenstunden per Flug nach Frankfurt geschickt worden waren. Um da schon einmal acht Stunden auf die nächste Etappe zu warten. Zen-Qualitäten nahegekommen ist in der Zeit Cécile, als sie feststellen mußte, daß es im größeren Umkreis des Wartebereichs keine Eiscreme gab...
Für sie schon dort, für das Team insgesamt spätestens im Flughafen in Buenos Aires, fing der Grat an zu verschwimmen zwischen "streßfreiem Reisen" und dem Gefühl, im nächsten Moment zu stranden.
Nach gut sieben Stunden wurden wir jäh aus dieser Unsicherheit herausgerissen. Mir fiel plötzlich auf, der Bereich am Gate 3 war inzwischen nahezu leer. Der Flug war - ohne Ansage - zum Gate 12 verlegt worden. Die kleine Wanderung hat uns wieder fit gemacht. Dort angekommen gab es auch eine Durchsage. Die Verständlichkeit glich allerdings dem Gemurmel in Jacques Tatis Playtime, passend zur Glas- und Stahlkonstruktion des Flughafen Aeroparque.

Anflug auf Ushuaia

Nach weiteren dreieinhalb Stunden Flug gleiteten wir schließlich zwischen den noch schneebedeckten Bergen Feuerlands auf Ushuaia zu. Geschafft. Fast. Zwischen Übermüdung, aufgeblähtem Bauch vom üppigen Snack der großzügigen Aerolinas Argentinas - zwei einzeln plastikverschweißte Doppelkekse mit Chemiecreme -  sowie mit einem zwischen Kopfweh und Schwindel wechselnden Gefühl begaben wir uns auf die letzte Etappe. Der von der Reederei organisierte Transfer zum Hotel glich der Umlagerung einer Fischkonserve. Inzwischen buchstäblich im eigenen Saft, unser Gepäck wie die üblichen Sauergemüse-Beilagen zwischen uns gestapelt, rumpelten wir in einem viel zu kleinen Transporter die holprigen Wege den Hang von Ushuaia hinauf zum Hotel Ushuaia. Auf dem Weg hat uns noch eine Nachricht der fürsorglichen Reederei erreicht, daß wir auch weiterhin keinen Streß haben werden, denn das Schiff habe gerade erst Punta Arenas verlassen und werde vor dem nächsten Abend unmöglich in Ushuaia sein...
Im Laufe des Abends hatte die Anreise aber doch noch eine wirkliche Krönung. Der Irish Pub Dublin im Zentrum von Ushuaia überraschte hiermit:

Höhepunkt der Anreise

Ich konnte nicht widerstehen - und habe nach zwei davon eine herrlich komatöse Nacht verbracht.
Inzwischen sind wir informiert, das Schiff wird noch etwas später eintreffen. Und daß uns die lange Wartezeit nicht wieder träge macht, dagegen hat die Reederei natürlich auch etwas gefunden. Wir werden im Laufe des späten Abends, so ab 22:00 Uhr etwa, eine Mann-über-Bord-Übung machen. Jeder von uns Zodiacfahrern muß ran. Jeder muß mindestens einmal erfolgreich den noch auszuguckenden Beinahe-Ertrinkenden aus dem Wasser des Hafenbeckens in Ushuaia zurück ins Boot ziehen... Training ist ja gut - aber muß das nachts sein?
Vielleicht frage ich einfach mal im Dublin nach, ob sie zufällig eine Möglichkeit haben, eine Palette von den Dosen zum Schiff zu liefern. Manches möchte ich glaube ich in weiteren komatösen Nächten hinter mir lassen...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen